„Witness“ ist eine moderierte Tanz-Chormusik-Performance. Zum perfekten Konzerterlebnis fehlt dementsprechend neben den Neuen Wiener Stimmen das tänzerische Element. Vor Weihnachten wurde das NWS-Medienteam zum Zeugen einer „Witness“-Probe in der Tanzwerkstatt Wien und stieß dabei auf unverhoffte Gemeinsamkeiten.

#1: Die ersten Minuten einer Probe

Schauplatz Probenraum: Die letzten Worte eines Gesprächs werden einander noch rasch zugeworfen, Jugendliche stellen sich auf, machen ihren Körper bereit, um jede Minute in Aktion zu treten. Dann leiten einige Dehn- und Streckübungen die Probe ein, sollen den Körper, das Werkzeug, vollends aktivieren. Endlich beginnt die Musik.

Fast könnte man glauben, es handle sich um die ersten Minuten einer Chorprobe der Neuen Wiener Stimmen – nur, dass sich Chorleiter Christoph Wigelbeyer einen Körpereinsatz wie den der Tänzer*innen von uns Sänger*innen oft vergeblich wünscht. Umso besser, dass uns der körperlich bewegte Teil des Projekts diesmal nicht zufällt. Auch, wenn wir bei Projekten wie Afrika oder Pop schon Tanzperformances zum Besten gegeben haben, überlassen wir diesen Part gerne mal den Profis.

Foto © Stephan Herzog

#2 Ein offener Raum

Die Profis, das sind die Tänzer*innen eines Ensembles der Tanzwerkstatt Wien. Unsere „Witness“-Kolleg*innen sind etwa im Alter von sechzehn Jahren, sie tanzen zum Großteil hobbymäßig neben der Schule. Zumindest Rosa, Timna und Valerie, die bereit waren, uns etwas mehr über sich und die Tanzwerkstatt zu erzählen. Für sie bedeutet Tanzen, sich selbst zu entdecken und auszudrücken. Der offene Raum für Experimente, der hier geboten wird, sowie das Fehlen von Leistungsdruck gefällt ihnen an der Tanzwerkstatt besonders. Auch die Neuen Wiener Stimmen bieten einen Raum zur Weiterentwicklung, in dem die unterschiedlichsten sängerischen und musikalischen Ausbildungsgrade zusammentreffen. Hier entdecken wir also erneut eine Gemeinsamkeit zwischen den Neuen Wiener Stimmen und der Tanzwerkstatt.

In „Witness“ soll Tanz vor allem die Aussage der Musik kunstvoll darstellen. „Musik hat ja immer eine Aussage, dadurch, dass Text darin enthalten ist und durch die Historie, in der sie entstanden ist“, sagt Manfred Länger. Diese Aussage der Musik kann durch Tanz wortlos betont werden. Darin sieht eine der beiden Choreografinnen des Projekts, Daniela-Katrin Strobl die besondere Kraft des Tanzens: „Ich finde es ist einfach eine wahnsinnig schöne Ausdrucksform, weil sie nicht der Sprache bedarf. Es ist eine nonverbale Sprache, die irrsinnig viel ausdrücken kann.“

Daher ist es in der Tanzwerkstatt auch wichtig, dass die Tänzer*innen sich von Beginn an emotional mit der Musik und deren Inhalten auseinandersetzen. Um die Emotionen aller einfangen zu können, entwickelt nicht eine Person allein die Choreografie. „Die Tanzwerkstatt pflegt eine zeitgenössische Vermittlungsweise. Das bedeutet, dass man mit den Schülern gemeinsam Szenen erarbeitet. Ich glaube, dass das auch sehr gut zu dem Projekt passt“, erklärt Daniela-Katrin Strobl, die gemeinsam mit ihrer Kollegin Barbara Ebner die Choreografie konzipiert.

#3 Jugendlichkeit

Ebenfalls gut zum Projekt passt eine weitere Gemeinsamkeit zwischen dem Tänzer*innen-Ensemble und den Neuen Wiener Stimmen. Auch, wenn die Tänzer*innen im Schnitt bis zu zehn Jahre jünger sind als die älteren Jahrgänge unserer Chorsänger*innen, steht besonders unsere Jugendlichkeit „Witness“ gut zu Gesicht: „Ich freue mich irrsinnig, dass ihr so jung seid“, freute sich Manfred Länger im Interview. „Die Kraft der Jugend, wenn es um Aussagen geht, ist einfach stärker.“ Auch die Sklaven, über die Manfred Länger in „Witness“ erzählt, sind keine 20 Jahre alt: „Wenn dann die jungen Leute tanzen und das symbolisieren ist man als Publikum ganz anders dabei als wenn es nur in der Vorstellungskraft da ist.“

Foto © Stephan Herzog

#4 Bewegende Botschaften

Dass die Tänzer*innen ihre Choreografie nicht nur tanzen, sondern auch fühlen, bemerken wir schon während der ersten Minuten der Probe. Witness, das titelgebende Spiritual, ist die erste getanzte Nummer, die wir sehen dürfen. Vertraute Klänge – hier, bei den Tanzproben, natürlich noch elektronisch aus den Boxen – mischen sich mit unbekannten aber umso ausdrucksstärkeren Bewegungen. Allein die Vorstellung, diese später zum Klang der Neuen Wiener Stimmen zu sehen, ruft Gänsehaut hervor. Wir alle, Tänzer*innen und Sänger*innen fühlen gleichermaßen das, was die Musik uns sagen möchte und versuchen es auszudrücken: Die Tänzer*innen durch Bewegungen, die Sänger*innen durch Klänge und Worte. So sind wir alle in der Aussage von „Witness“ verbunden.

#5 Gruppendynamik

Auch kleine Unsicherheiten und Unaufmerksamkeiten gehören zum Probenprozess. Gedächtnislücken, kurze Gespräche und Blödeleien unterbrechen ab und zu die Konzentration. Was im Endeffekt auch nur ein klares Indiz für eine besondere Gruppendynamik ist:  Zusammengeführt durch eine gemeinsame Leidenschaft sind Freundschaften entstanden. Wieder fühlen wir uns an die Neuen Wiener Stimmen erinnert. Und wenn es ernst wird, sind sowieso wieder alle auf das gemeinsame Ziel fokussiert: Das Voranbringen des Projekts, im Dienste der Botschaft. Schließlich sehen auch die Tänzer*innen Sklaverei als bedeutsames Thema: „Ich finde es heutzutage umso wichtiger über Sklaverei zu reden, weil es früher nicht verboten war“, kommentiert Valerie dazu. „Heute ist es verboten und es wird trotzdem noch getan, gegen den Willen des Menschen und darum ist es umso wichtiger, dass man es anspricht und aufzeigt.“

Große Vorfreude und Spannung bestehen sowohl auf der tänzerischen als auch auf der sängerischen Seite. Auch wenn schon jetzt immer wieder große Gefühle aufkommen, wird sich emotional alles noch steigern, wenn Tanz und Gesang endlich aufeinandertreffen. Schließlich ist „Witness“ laut Manfred Länger „mehr als nur ein Konzert, es ist mehr als nur eine Tanzaufführung, es ist mehr als nur Geschichten hören. Es ist diese Verquickung von diesen dunklen Seiten mit einer schönen Musik und anmutig tanzenden Tänzerinnen. Es ist ein Erlebnis.“

 

Fotocredits Titelbild: Stephan Herzog

 

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